Definition von Aphasie
Das Wort Aphasie hat seine Wurzeln im Griechischen und bedeutet „ohne Sprache“ und wird in unserem Sprachgebrauch mit „Sprachverlust“ übersetzt. Aphasien sind erworbene Sprachstörungen, die zentral bedingt sind und nach bereits abgeschlossenem Spracherwerb in Folge einer Schädigung der sprachdominanten Hirnhälfte auftreten. Diese befindet sich bei ca. 95 % der Bevölkerung in der linken Hirnhälfte. Die Aphasie kann nach einer Hirnschädigung, die beispielsweise durch einen Schlag-anfall oder Unfall verursacht wird, eintreten.
Dies muss aber nicht zum totalen Verlust der Sprache führen. Die Aphasie tritt in unterschiedlichen Schweregraden auf. Hierbei können die Sprachproduktion (z.B. das Bilden von Lauten, die Grammatik, der Wortschatz und die dazugehörige Wortbedeutung) und das Sprachverständnis beeinträchtigt sein. Meist sind auch die Modalitäten Lesen und Schreiben betroffen. Zusätzlich können weitere Funktionsausfälle wie Gedächtnisstörungen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, Sehstörungen und Lähmungen an Armen und Beinen (meist halbseitig) hinzukommen. Fälschlicherweise werden viele Patienten mit Aphasie häufig als geistig behindert angesehen. Diese Sichtweise ist falsch, da die intellektuelle Leistung unabhängig von der Sprachstörung ist. Auch Patient*innen mit schweren Sprachstörungen können über ein hohes Maß an Intelligenz verfügen.
Zahlen und Fakten – Statistiken
Knapp über ein Viertel der Patient*innen leiden nach dem ersten Schlaganfall an aphasischen Symptomen. Dies ergab eine retrospektive Untersuchung von Croquelois & Bogousslavsky im Jahr 2011, an der 6000 Patient*innen teilnahmen und 26% von aphasischen Symptomen betroffen waren.
Die Inzidenzrate liegt bei 43 Betroffenen pro 100.000 Einwohner (Engelter et al. 2006).
Die Prävalenz von zerebrovaskulär bedingten Aphasien wird auf ca. 70.000 Betroffene geschätzt. Die jährliche Inzidenz neu auftretender Aphasien nach einem Schlaganfall wird auf rund 25.000 Neuerkrankungen beziffert (Huber et al. 2006). In Deutschland sind rund 400.000 Menschen von Aphasie betroffen, hinzu kommen jährlich ca. 80.000 Neuerkrankte (www.aphasieregionalzentrum.de). Ungefähr 80 Prozent aller Aphasien treten in Folge eines Schlaganfalls auf. Weitere Auslöser sind Hirntumore, Schädel-Hirn-Traumen, entzündliche Erkrankungen des Gehirns, hypoxische Schädigungen oder Hirnabbauprozesse.
In Abhängigkeit der hirnorganischen Läsion verursachen Aphasien Symptome im Sprachnetzwerk. Die sprachrelevanten Hirnareale werden primär dem perisylvischen Kortex, der Inselrinde, den subkortikalen Strukturen der Basalganglien sowie dem Thalamus der dominanten Hemisphäre zugeordnet (Huber & Ziegler 2009).
Eine Aphasie nach einem Schlaganfall tritt in einer Häufigkeit von 80 % auf. 10 % der Aphasiker hatten ein Schädel-Hirn-Trauma und 7 % der Menschen mit Aphasie haben diese Symptome auf Grund eines Hirntumors. Nach entzündlichen Erkrankungen, Hirnatrophien und Hypoxien leidet ein Prozent der Patienten an Aphasien (www.aphasiker.de).
Statistisch gesehen überleben in Deutschland jährlich zwei von 1.000 Menschen einen Schlaganfall. 40 % von ihnen weisen Symptome einer Aphasie auf, das ergibt eine Anzahl von 90.000 Betroffenen. Laut der Homepage aphasiker.de haben 100.000 Menschen aphasische Symptome.
Aufgrund der hohen Anzahl an Betroffenen ist es für Sprachtherapeut*innen von großer Relevanz, sich über die Behandlungsmethoden von Aphasien und deren Evidenz zu informieren.
Die häufigsten Ursachen einer Aphasie
Der Schlaganfall, (Apoplexie oder Insult), ist die weitaus häufigste Ursache für eine Aphasie. Es handelt sich um eine Hirnschädigung aufgrund einer Durchblutungsstörung im Gehirn.
Bei Hirngefäßverschlüssen (ischämischer Insult) kommt es zu einer Mangeldurchblutung: z.B. kann ein Blutgefäß allmählich undurchlässig werden oder plötzlich verstopfen. Dadurch wird das Hirngewebe nicht mehr richtig durchblutet und stirbt ab (= Hirninfarkt).
Bei Hirnblutungen (hämorrhagischer Insult) platzen Blutgefäße im Gehirn und das Blut fließt in das Hirngewebe. Das kann bspw. geschehen, wenn die Gefäße aufgrund von langjährigem Bluthochdruck brüchig geworden sind. Bei jüngeren Menschen entstehen Hirnblutungen meist aufgrund von angeborenen Gefäßmissbildungen (Aneurysmen) oder Gefäßgeschwülsten (Angiomen).
Schädelhirnverletzungen nach Unfall
Werden bei einem Unfall Bereiche des Gehirns verletzt, wo sich die Sprachverarbeitung befindet, kann es ebenfalls zu einer Aphasie kommen.
Hirntumore können an verschiedenen Orten im Gehirn auftreten und auch die Sprachverarbeitung beeinträchtigen.
Entzündliche Prozesse im Gehirn (z.B. Hirnhautentzündung)
Abhängig davon, welche Hirnregionen von einer Entzündung betroffen sind, können sprachliche Auffälligkeiten auftreten.
Syndrom Klassifikationen
Aphasien lassen sich in unterschiedliche Syndrome unterteilen, die sich in der Symptomatik und deren Ausprägung unterscheiden. Dies ist abhängig von der Lokalisation des betroffenen Hirnareals.
Auf der nachfolgenden Grafik sind die jeweils betroffenen Hirnareale des entsprechenden Aphasie-Syndroms abgebildet:
Globale Aphasie
Die Globale Aphasie, ist die schwerste Form der Sprachstörung. Das gesamte Versorgungsgebiet des Hauptstamm der Arteria Cerebri Media ist betroffen. Die Patient*innen verfügen über eine äußerst geringe Sprachproduktion, sind meist nicht in der Lage zu sprechen und wenn, dann nur wenige Worte bzw. Silben. Das Sprachverständnis ist demnach schwer gestört. Auch das spontane Sprechen, Nachsprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben sind stark betroffen. Betroffene verwenden oft sogenannte Sprachfloskeln, dabei wird immer dasselbe wiederholt z. B. Sprachautomatismen wie „ja, ja, ja…“ oder „Baum, Baum, Baum“. Ebenso können formstarre Redefloskeln, auch Stereotypien genannt, wie beispielsweise „meine Güte“, „Donnerwetter“, „wie geht es dir“ auftreten.
Die Betroffenen der globalen Aphasie weisen eine äußerst geringe Sprachproduktion mit einer erheblichen Sprach- und Sprechanstrengung auf. Des Weiteren haben sie massive Probleme mit der Artikulation sowie der Prosodie. Ihr Wortschatz ist sehr stark reduziert. Die vielen Sprachautomatismen und Stereotypien zeichnen ihre Spontansprache aus. (Greitemann, 2009, nach Huber et al, 1983).
Broca Aphasie
Bei der Broca Aphasie haben Patient*innen Probleme, Sätze grammatikalisch korrekt zu bilden. Meist gelingen ihnen nur Ein-, Zwei- oder Drei-Wort-Äußerungen. Dazu kommt es zu schweren Wortfindungsstörungen und die Sprechflüssigkeit ist meist erheblich verlangsamt. Das Leitsymptom ist der Telegrammstil (Agrammatismus), bei den häufigen Hauptwörtern aneinandergereiht werden. Das Sprachverständnis ist relativ gut erhalten und die Betroffenen sprechen häufig sehr langsam und stockend in grammatikalisch unvollständigen Sätzen. Der Betroffene weiß genau, was er sagen will, aber es kommt zu Lautverwechslungen. So wird z. B. statt Gabel „Gadel“ gesagt. Manchmal lassen sie auch Laute oder Silben weg. Das Zuhören bereitet manchem Gegenüber Schwierigkeiten. Aufgrund der verlangsamten Sprachverarbeitung können die Betroffenen das Gesagte nicht schnell genug aufnehmen und verarbeiten.
Wernicke Aphasie
Wernicke Aphasiker haben einen gut erhaltenen Sprachfluss meist bzw. häufig sogar beschleunigt. Ihre Sprache enthält jedoch sehr viele Wort- und Satzverschränkungen als auch Wortverwechslungen. Das Gesagte ist inhaltlich oftmals nicht von großer Bedeutung. Der Gesprächspartner hat daher häufig Mühe, die sprachliche Äußerung zu verstehen. Das Sprachverständnis solcher Patient*innen ist erheblich gestört. Sie merken oft selbst nichts von ihrer Sprachstörung und wundern sich, warum das Gegenüber sie nicht versteht bzw. nicht adäquat handelt. Bei der Wernicke-Aphasie ist das Sprechen flüssig und manchmal fast sogar „überschießend“. Es werden viele phonetische und/ oder semantische Paraphasien und Neologismen verwendet.
Die Sprache wird häufig entstellt durch:
- Satzverschränkungen oder Satzverdoppelungen (Paragrammatismus), z.B. „Ich rede im Moment nicht rede jetzt im Moment nicht“
- Veränderungen in der Bedeutung bzw. Lautstruktur von Wörtern
(semantische bzw. phonologische Paraphasie), z.B. „Papa“ statt Mann, „Tefelon“ statt Telefon - bedeutungslose Aneinanderreihung von Wörtern, Floskeln und
Wortneuschöpfungen (Jargon), z.B. „Ja, fa ma ti kara.“. Auch das Verstehen, Schreiben und Lesen können sehr gestört sein. Die Kommunikation ist entsprechend bei Jargon sehr schwer, sonst schwer bis mittelgradig gestört
Amnestische Aphasie
Bei der Amnestischen Aphasie ist der Bereich der Arterie Cerebri media und posterior betroffen und liegt retrorolandisch, im hinteren Drittel des Temorallappens, unterer Parietallappen. Patient*innen leiden unter Wortfindungsstörungen aber verfügen über eine flüssige Sprache. Der Satzbau ist überwiegend intakt. Die Sprache ist semantisch nahe Paraphasien. Das Sprachverständnis ist nur geringfügig gestört.
Oft werden gesuchte Wörter durch „Füllwörter“ wie „Ding“ oder „das da“ ersetzt. Anstelle der korrekten Bezeichnungen wie „Schreibtischlampe“ wird lediglich der Oberbegriff „Lampe “ gesagt. Meist wird anstelle des gesuchten Wortes, lediglich der Sinn beschrieben.
Leitungsaphasie
Bei der Leitungsaphasie ist der Gyrus supramarginalis bzw. die weiße Substanz unterhalb (Fasciculus arcuatus), unterer Parietallappen betroffen. Sie entstehen aufgrund von Läsionen (Schädigungsort) zwischen dem Broca- und Wernicke-Areal. Das Nachsprechen fällt den Patient*innen deutlich schwerer als andere sprachliche Leistungen.
Das hat eine wenig flüssige Sprachproduktion, paraphrasische Irrtümer und eine Beeinträchtigung der Wiederholungs- und Benennfähigkeit sowie Willkürbewegungen zur Folge.
Transkortikal-Motorische Aphasie
Bei der Transkortikal-Motorischen Aphasie ist der supplementäre motorische Kortex, der prä-Broca betroffen. Die Patient*innen können deutlich besser Nachsprechen als andere sprachlichen Leistungen.
Sie verfügen aber über eine geringe Sprechflüssigkeit.
Transkortikal-Sensorische Aphasie
Bei der Transkortikal-Sensorischen Aphasie ist der hintere parieto-temporaler Bereich ohne das Wernicke Areal betroffen. Den Patient*innen gelingt das Nachsprechen deutlich besser als andere sprachliche Leistungen. Es zeigen sich sehr viele semantische Paraphasien und Echolalien.
Subkortikale Aphasien
Die subkoritkalen Aphasien werden durch eine linksseitige thalamischen Läsion hervorgerufen. Die Sprachproduktion und die Wortflüssigkeit sind bei den Patient*innen reduziert. Wenig bedeutungstragend ist die Sprachproduktion und das Sprachverstehen ist eingeschränkt. Es geht ein semantisches und/ oder phonetische Paraphasien einher. Es werden Neologismen (Neuwort, Neudeutung) verwendet. Auch bleiben Patient*innen bei einem Gedanken oder einer sprachlichen Äußerung hängen (Perseverationen). Das Lesen und Nachsprechen sind relativ gut erhalten aber das Lesesinnversehen ist beeinträchtigt. Die Patient*innen zeigen eine Akalkulie, d.h. sie haben eine Schwäche in Bezug auf Zahlen erworben. Die nicht-sprachlichen Symptome zeigen sich durch Antriebslosigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen und Orientierungslosigkeit. Etwas Neues zu lernen und die Planungsfähigkeit sind eingeschränkt.
Es zeigen sich deutlich Gedächtnisdefizite und eine Unsicherheit bei motorischen Abläufen.
Dennoch gilt: Die Unterteilung in Syndrome ist grundsätzlich umstritten und die Definition ist unklar. Dies liegt daran, dass sich klinisch kaum Reinformen beobachten lassen und im therapeutischen Hinblick der Nutzen einer solchen Unterteilung in Frage gestellt wird, da jeder Mensch individuell ist und die Aphasie ebenso. Auch können sich die Syndrome und Symptome im Verlauf verändern.
Abschließend ist es mir wichtig zu unterstreichen, dass die Aphasie keine geistige Behinderung ist.
Symptome einer Aphasie
Da die Symptome einer Aphasie von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausfallen können, finden Sie hier einen Überblick über die möglich auftretenden Symptome:
- Semantik: semantische Paraphasie, formale Paraphasie, syntagmatische Paraphasie, semantische Neologismen, Störung in der Wortbedeutung, Störung in der Wortformaktivierung
- Morphologie: morphologische Paraphasien (Störungen der Derivation, Komposition, Flexion), Vereinfachungen
- Phonologie: phonematische Paraphasien, phonematische Neologismen
- Syntax: Satzabbrüche, Agrammatismus, Paragrammatismus, Jargon
- Redefluss: Störungen des Sprechtempos (erhöht/ vermindert), der Intonation, der Sprechpausen, automatisierte Sprachelemente (Stereotypien, Echolalie, Redefloskeln, Perseverationen, Recurring utterances), Conduite d’approche, Conduite d’ecart, Logorrhö, nichtflüssige Sprachproduktion
- Sprach-/Sprechanstrengung
Sprachverständnis:
- phonologische Ebene: Defizit in der Phonemdiskrimination,
- semantische Ebene: Störung im Abruf der Wortbedeutung,
- syntaktische Ebene: Schlüsselwortstrategie, Störung der Interpretation grammatischer Morpheme
Schriftsprache:
- Lesen: Alexie, Dyslexie mit:
Nullreaktionen/Abbrüchen,
Paralexien: semantisch/phonematisch/syntagmatisch/ morphologisch/visuell
- Schreiben: Agraphie, Dysgraphie mit:
Abbrüchen
Paragraphien: semantisch/orthographisch/graphematisch;
Neographien: semantisch/graphematisch;
- Buchstabieren
Sonstiges
- eingeschränkte Sprechfreude
- reduzierte Teilhabe
- Situatives Vermeideverhalten
- Großer Leidensdruck
- Sprechapraxie
- Apraxie
- Akalkulie
- Räumlich-konstruktiver Störung
- Gesichtsfeldeinschränkung
- Neglect
- Gedächtnis-, Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeitsstörung
- Hemiparesen, Hemiplegien
- Reizbarkeit und Gefühlsschwankungen
Diagnostik akuter Aphasien
Akute Aphasien sind neurologisch bedingte Sprachstörungen, die sich innerhalb kurzer Zeit nach Hirnschädigungen oder einem Schlaganfall zeigen. Es wird eine sehr frühe Diagnostik empfohlen, um die Patient*innen bei dem spontanen Potential zur Rückbildung aktiv zu unterstützen. Dabei gilt die Voraussetzung, dass der Allgemeinzustand und die neuropsychologischen Faktoren der Patient*innen für eine aktive Mitarbeitszeit von ca. 15 Minuten gegeben ist.
Allerdings kann nach ca. vier Wochen nach dem Ereignis keine zuverlässige Diagnose erstellt werden. Nach dieser Zeit wird die sprachliche Stimulierbarkeit ermittelt und eine ausführliche neurolinguistische Diagnostik erstellt. Dabei gilt es den Schweregrad einzuschätzen, die psychosozialen Auswirkungen zu ermitteln und eine Differentialdiagnostik zu erstellen. Die Diagnostik erfolgt über informelle Beschreibungen, Screenings und psychometrisch abgesicherten Tests. Auch werden Begleitsymptome ermittelt (z.B. Depressionen, Antrieb)
Bei der Diagnostik gibt es folgende Ziele:
- Auslese
- Differentialdiagnostik
- Begleiterscheinungen abgrenzen
- den Schweregrad bestimmen
- die Therapiefähigkeit feststellen
- die Kommunikationsfähigkeit ermitteln
- Funktionsbeeinträchtigungen erfassen
- Ressourcen in Erwägung ziehen
- die Patient*innen aufklären
- die Angehörigen beraten
Bei der Diagnostik wird folgendes beobachtet:
Das kommunikative Verhalten der Patient*innen
- Blickkontakt
- Mimik und Gestik (pantomimisch, deiktisch)
- Alltagsfloskeln (Begrüßung, Abschied)
- Alltagskommunikation (Pflege)
- Sprechversuche
- Spontansprache
Das Verhalten der Patient*innen
- Aufmerksamkeit
- Unruhe/ Apathie
- Allgemeinzustand
- Ernährungszustand
- Antrieb
- Visus
- Gehör
- Praxie
- kaudale Hirnnerven
- Schluckstatus
Spontansprache
- Flüssigkeit
- Mutismus
- repetitives Sprachverhalten
- sprachliche Enthemmung
- Syntax
Es stehen folgende Tests zur Verfügung:
- Aachener-Aphasie Bedside-Test (AABT, Biniek, 1993)
- Aphasie-Schnell Test (AST, Kroker, 2000)
- Bieldefelder Aphasie Screening (BIAS, Richter et al, 2006)
- Aphasie-Check-Liste (ACL, Kalbe et al, 2002)
- kurze Aphasieprüfung (KAP, Lang et al, 1999)
- Token Test (Orgass, 1976)
- Regensburger Wortflüssigkeitstest (RWT, Aschenbrenner et al, 2001)
- Bad Schwalbacher Schriftprobe (Eckold & Helmenstein, 2007)
Diagnostik postakuter Aphasien
Es stehen folgende Tests zur Verfügung:
- Aachener Aphasie Test (AAT, Huber et al, 1983)
- AAT Supplemente
- Lexikon Modellorientiert (LEMO, De Bleser et al, 2007)
- Blanken Wortbedeutungen
- Blanken Wortformen
- Boston Naming Test
- Bogenhausener Semantik-Untersuchung (BOSU, Glindemann et al, 2002)
- Pyramid & Palmtree Test (Howard & Patterson, 1991)
- ELA-Satzverständnistest
- Salinas Texte Verstehen
- Cookie-Theft Picture
- Bielefelder Wortfindungs Screening für leichte Aphasien (BIWOS, Benassi et al, 2012)
Therapie bei Aphasien
Für die Wirksamkeit kann es sich bei der Metaanalyse keinen eindeutigen Beleg für die Effektivität von Aphasietherapien finden lassen (Greener et al, 2002b, Cochrane Review). Aber es gibt einen statistischen Nachweis über eine Effektivität von Therapien im Gegensatz zu Spontanremissionen oder unspezifischen Interventionen (Poeck et al, 1989; Holland et al, 1996; Schlenk & Perleth, 2004). Es gibt interventionsspezifische Effektivitätsstudien, jedoch sind Einzelfall-Studien gängiger (siehe Leitlinien DGN, 2008). Auch gibt es positive Nachweise über die Wirksamkeit von Gruppentherapien (Pulvermüller et al, 2001).
Es besteht bei den Therapien das Problem des Effektivitätsnachweises. Dabei spielen ethische Bedingungen, heterogene Therapiemethoden und die Faktoren, die die Therapieergebnisse zusätzlich beeinflussen eine bedeutsame Rolle.
Ergebnisse werden beeinflusst durch:
- Größe, Lage und Schweregrad der Läsion
- Art und Dauer der Aphasie
- psychosoziale Anpassung
- Schweregrad der Sprachverständnisstörung
- Zeitpunkt der Rückbildung
- Alter und Geschlecht
- Händigkeit
- Schulbildung und prämorbide Intelligenz
- affektive Faktoren
- kognitive Störungen und Wahrnehmungsstörungen
- sprechmotorische und motorische Störungen
Die Empfehlungen der DGN (2008) beinhalten, dass die Sprachtherapie so früh wie möglich angeboten werden sollte, sofern es der Allgemeinzustand es erlaubt. Dabei ist das Ziel die Stimulation und das Fehlanpassungen vermieden werden sollen. Die Übungstherapie beginnt bereits in der frühen Phase der Spontanerholung mit einer täglichen Sprachtherapie von fünf bis zehn Stunden in der Woche. Die Intervallrehabilitation wird auch zwölf Monate nach den Ergebnissen in den Zielen und der Dynamik begründet. Die weiterführende Therapie ist für den Transfer in den Alltag, die Anpassung an spezifische Alltagsanforderungen, für die Beratung und für das Dialogtraining für Patient*innen und Angehörige indiziert.
Therapieziele bei akuten Aphasien
- Behinderungen werden abgebaut und reduziert
- Kommunikationsfähigkeit wird verbessert
- temporär beeinträchtigte Funktionen werden abgebaut und optimiert
- pathologisches Sprachverhalten wird gehemmt und abgebaut
Ansätze für akute Aphasien
Äußerungen werden stimuliert über:
- Blickkontakt
- Emotionale Sprache/ situative Sprache
- Alltagsfloskeln
- Automatisierte Sprache
- Singen und rhythmisches Sprechen/ Klopfen
- Gestik und Mimik
Modalitätsspezifische Übungen zu:
- Instruktionsverstehen
- Bedeutungsverarbeitung
- Wort- und Satzverstehen
- Konfrontatives Benennen hochfrequenter Objekte
Die Sprache wird aktiviert:
- Bild zu Bild (Memory Karten)
- Unterschiedliche Typen
- Zeichnung zu Foto
- Gegenstand zu Bild
Semantisches sortieren von:
- Objektfotos
- Gegenständen
- Handlungsbildern
- Zeichnungen
Diversen bildliche Relationen zuordnen:
- Gegenteile
- Gebrauchsgegenstände
Odd-one-out:
- Was hat nicht die richtige Farbe?
- Was passt nicht dazu?
Über das Gestentraining können Basisfähigkeiten erarbeitet werden
- Orientierung am Körper
- Imitationsfähigkeit
- Beziehung der einzelnen Segmente des Körpers zueinander
- Detailerkennung
- Räumliche und zeitliche Abstimmung der Bewegung
- Verbesserung des Objektgebrauchs
- Verständnis für den kommunikativen Nutzen von Gesten
Im Gestentraining werden semantische (bildhafte) Gesten eingeübt, die sich über Zeigegesten (deiktische), Pantomime und konventionalisierte Gesten (Embleme) ausdrücken.
Die Übungen der Therapien können bewirken, dass Patient*innen ihre Funktionen wieder reaktivieren, wiedererlernen oder Kompensationstechniken erwerben. Zudem sollen kortikale Reorganisationen und kognitive Umwegstrategien (Luria, 1970) stimuliert werden. Zur Unterstützung wird ein Kommunikationsbuch geführt, dass wichtige Alltagsbegriffe mit Bildern und den Wörtern enthält. Das Buch zeigt wichtige Grundbedürfnisse aus wie zB. essen, trinken und schlafen.
Auch werden die Bilder nach Themen sortiert wie zB. Schmerzen, wichtige Personen und Therapien. Diese Kommunikationsbücher enthalten Bilder mit Wiedererkennungswert von persönlichen und relevanten Gegenständen und Personen. Bei der Kommunikation ist alles erlaubt und erwünscht. So können sich Patient*innen jederzeit über Zeigegesten, pantomimische Gesten, schreiben und zeichnen, sprechen oder über das Kommunikationsbuch mitteilen.
Bei der Therapie wird immer vorausgesetzt, dass, die Kommunikation auf Augenhöhe stattfindet und neue Informationen gleich ausgetauscht werden. Die Modalität kann frei gewählt werden und es erfolgt immer gleich ein Feedback. Dabei können kommunikative Problemlösestrategien geübt werden. Wichtig ist auch, dass Reaktionen gespiegelt und weiterte Informationen erfragt werden. Das Training findet in den verschiedenen Modalitäten statt und sollte Strategien flexibel kombinieren.
Leider sieht die Realität anders aus und wenige Patient*innen schaffen diese Flexibilität und können die bevorzugte Kommunikation umsetzen,
Dabei sollte immer im Vordergrund stehen, dass die Patient*innen lernen die Gesten zu verstehen und Zeichnungen zu Situationen und Handlungen zuzuordnen.
Es sollte ein alltagsorientierter Ansatz in der Sprachtherapie erfolgen, der die folgenden Punkte miteinbezieht:
- die Kommunikations- und Sprechangst wird abgebaut
- in den Alltagsaktivitäten wird das Selbstbewusstsein aufgebaut (z.B. Einkaufen)
- die Verkehrssicherheit wird sichergestellt
- der Umgang mit dem Geld wird wieder erlernt
- Bedürfnisse sollen permanent kommuniziert werden
- Smalltalk
- mit der eigenen Wirkung auf die Umwelt wird sich auseinandergesetzt
- die Normalität wird eingeübt
Der alltagsorientierte Ansatz in der Sprachtherapie kombiniert die Aspekte aus:
- Verhaltenstherapie
- Desensibilisierung mit Reizhierarchie
- Zuhörerverhalten desensibilisieren und relativieren
- Sprachsystematisch-pragmatischen Therapie
- Erlernte verbale Fähigkeiten werden im Alltag angewendet
- Nonverbal-kommunikativer Therapie
- Kommunikationsstrategien werden angewendet
- Gruppentherapie
- Lernen am Beispiel
- Feedback durch Nicht-Therapeut*innen
Prinzipien sprachsystematischer Therapie
Da das gleich Symptom verschiedene Ursachen haben kann, genügt bei der Therapieplanung nicht nur die Analyse der Oberflächensymtome Howard & Patterson, 1989). Die Therapie erfolgt auf der Basis theoretischer Annahmen und die Hypothese muss in angemessenen Zeiträumen überprüft werden.
Gegenüberstellung der kognitiv-linguistischen und kommunikativ-pragmatischen Therapie
Die Therapie erfolgt bei der akuten Aphasie etwa drei Wochen nach dem Auftreten. Sie erstreckt sich über sechs Monate und findet zweimal in der Woche statt.
Bei der kognitiv-linguistischen Therapie erfolgt ein semantisches und/ oder phonologisches Übungsprogramm. Die kommunikativ-pragmatischen Therapie umfasst PACE Übungen, Rollenspiele (verbale und nonverbale Strategien nutzen) und Konversationstraining.
Bei der Outcome-Messung ANELT wird festgestellt, wie die kommunikativen Fähigkeiten sich nach beiden Interventionen signifikant verbessert haben. Es werden die spezifischen Lerneffekte beurteilt, ob sich die phonologischen Leistungen nach der phonologischen Therapie und die semantischen Leistungen nach der semantischen Therapie verbessert haben.
Chronische Aphasie
Therapieanätze bei einer chronischen Aphasie
- Deblockierung (Weigel, 1961, 1979
- Priming
- Cueing (Voraktivierung des mentalen Lexikons)
- Errorless learning
- MODAK (Lutz, 2009) (multimodale Stimulierung mit Hilfe Deblockierung)
- semantische und phonologische Therapie
- Constraint induced therapy
- Melodic Intonation Therapy (MIT)
- Visual Action Therapie (VAT) (Helm-Estabrooks et al, 1982)
- PACE
- Reduzierte Syntax Therapie (REST) (Schlenck, Schlenck & Springer, 1995)
- Gruppentherapie (z.B. Aasoud, 2009)
- Online/ PC-Therapie
- Angehörigenberatung
- Aphasiker Selbsthilfe
Sprachtherapie mit musischen Elementen
- Melodic Intonation Therapy (MIT; Albert, Sparks, Helm, 1973
- Sprechen/ Wiederholen mit vereinfachter und übertriebener Prosodie
- Melodische (hoch-tief) und rhythmische (lang-kurz) Charakeristika
- Modified Melodic Intonation Therapy (MMIT; Baker, 2000)
- Wie MIT, aber mehr Melodie, weniger Sprechgesang
- Singen Intonation Proposie Atmung Rhythmusübungen Improvisationen (SIPARI; Jungblut & Aldridge. 2004)
- Schwerpunkt Singen
- Speech-Music Therapy for Aphasia (SMTA; de Bruin et al, 2005)
- Wie MIT PLUS Lautstärke, Tempo und Grundrhythmus
Semantische Therapie
Bei der semantischen Therapie gibt es zwei Formen. Bei der Therapie, die die Defizite in der semantischen Verarbeitung therapiert, kann dies nur mit semantischen Aufgaben erfolgen (z.B. Nettleton & Lesser, 1991).
Die Therapie, die semantische Aufgaben nutzt sind meist für die semantischen und phonologischen Defiziten ähnlich oder gleich (häufig Bedeutungs-Phonologie-Kombination).
Bei der semantischen Merkmalanalyse (Kiran & Thompson, 2003) gibt es fünf Therapiepunkte. Dabei werden Bilder benennt, kategorisiert, semantische Merkmale entschieden, ja/ nein Fragen gestellt und dann wieder Bilder benannt. Es wird ein höherer Effekt erzielt, wenn atypische Vertreter genutzt werden. Die Generalisierung erfolgt nur innerhalb einer semantischen Kategorie.
Therapie verbaler und nonverbaler Semantik
Je nach Studie zeigen 20-60 % flüssiger Aphasien unabhängig von verbal-semantischen Leistungen konzeptuell-semantische Defizite.
Nonverbale Semantik
- Zeichnen
- Gestentraining
- NAT-Bildsemantik
- Farben zu Bildern/ Objekten zuordnen
- Gleich-gleich: gleiche Objekte zuordnen
- Odd-one Out
- Ungewöhnliche Sichtweisen eines Objektes zuordnen
- Nonverbale Modalitäten zuordnen
- Teile zuordnen z.B. Kopf und Körper
- Semantische Relationen nutzen
Verbale Semantik
- Wort-Bild zuordnen
- NAT-Materialien (Bild-Semantik)
- Benennen
- Odd-one out mit Wörtern
- Farben zu Bild verbal zuordnen
- Ungewöhnliche Sichtweisen benennen
- Objekte benennen
- Semantische Relationen nutzen
- Kategorienflüssigkeit
- Wörter kategorisieren
Angehörigenarbeit und -beratung
Bei der Angehörigenarbeit und -beratung werden Einzelgespräche geführt, es gibt Gruppenberatungen und es findet ein Kommunikationstraining statt. Es werden auch auf die sprachliche Vorbereitung und Begleitung bei der Wiedereinstellung in dem Beruf besprochen. Die Angehörigen erhalten Hilfsangebote durch Selbsthilfegruppen.