Die Wichtigkeit des Stillens

 

Deshalb beginnen nach der Geburt rund 80 bis 90 % der Frauen in Deutschland mit dem Stillen. Sowohl Hebammen als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehlen das ausschließliche Stillen gesunder Säuglinge für etwa sechs Monate. Auch nach Einführung von Beikost ist es ratsam, nach Bedarf des Babys im gesamten zweiten Lebenshalbjahr und gerne auch länger weiter zu stillen, wenn Mutter und Kind dies wünschen.

Die Muttermilch ist auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt

Die erste Milch, das Kolostrum (Vormilch) entspricht in der Menge und Zusammensetzung exakt den Bedürfnissen des Kindes. Sie sorgt für einen Schutz vor Infektionen und verhindert in der Regel eine Unterzuckerung. In der Muttermilch sind Abwehrstoffe enthalten, die dafür sorgen, dass gestillte Kinder viel seltener krank werden. Sogar Immunstoffe von durchlebten Krankheiten der Mutter sind enthalten. So ist das Kind bis zur ersten Impfung besser geschützt. Sollte das Baby doch mal einen beginnenden Infekt haben, hat die Natur noch einen Trick bereit. Beim Stillen werden die Erreger auf die Brustwarze übertragen. Sie gelangen in den Körper der Mutter wo Antikörper gebildet werden, die wiederum über die Muttermilch zum Kind gelangen. So kann das Stillen einen Infekt deutlich abschwächen. Da die Muttermilch immer in der richtigen Menge und Temperatur zur Verfügung steht, muss das Kind seltener auf das Essen warten und ist zufriedener. Gestillte Kinder haben ein geringeres Allergierisiko. Durch das Saugen wird die Kieferentwicklung und somit die Zahnstellung und spätere Sprachentwicklung günstig beeinflusst.

Das Stillen aus logopädischer Sicht                                                                                                                 

In dem Buch von Frau Kittel (2004) werden ihrerseits die Vorteile des Stillens aus logopädischer Sicht beschrieben. Das volle Stillen über einen Zeitraum von mindestens sechs Monate gewährleistet das Schlucken gegen den Gaumen und begünstigt somit diesen funktionellen Bewegungsablauf gegen den Gaumen, damit dieser physiologisch ausgeformt wird. Zudem beeinflusst dies die Kiefer-und Zahnstellungsentwicklung positiv. Des Weiteren werden alle orofaziale Muskelsynergien trainiert und reguliert. Dadurch wird ein Mundschluss begünstigt, was wiederum die korrekte, physiologische Zungenruhelage und die Ausformung des Gaumens unterstützt und eine Nasenatmung initiiert.

Eine trainierte Zungenmuskulatur ist eine Voraussetzung für eine deutliche und zielgenaue Artikulation. Zudem ist nur durch eine regulierte Muskelsynergie der Zunge ein korrektes Schluckmuster möglich.

Im Umkehrschluss muss deutlich gesagt werden, dass eine Störung dieser Muskelstrukturen und Synergien auch bei gestillten Kindern möglich ist. Ausschlaggebend ist zudem die gesamte Stilldauer und ob alternative Sauger (Flasche oder Beruhigungssauger) eingesetzt werden. Da das Saugen, als Bewegungsablauf sich massiv unterscheidet.

(Kittel,2004) Karjalainen et al. (1999) sowie Viggiano et al. (2004) fanden signifikante Zusammenhänge zwischen Non-nutritiven Sauggewohnheiten sowie Flaschensaugern und dem Auftreten von veränderter Occlusion, insbesondere dem posterioren Kreuzbiss oder dem offenen Biss. Ursache hierfür können die im Ultraschall festgestellten signifikanten Unterschiede der Muskelaktivität beim Stillen oder der Flaschenfütterung sein (Karjalainen et al., 1999) Barbosa et al. (2009) fanden hierzu heraus, dass das Einführen der Flaschenfütterung erst nach dem 9.Lebensmonat keine signifikanten Einflüsse mehr auf die Sprechentwicklung hat.

Stillen regt alle alle sensorischen Strukturen an                                                                                       

 Um dem Baby eine uneingeschränkte Sprachentwicklung zu ermöglichen, ist eine ausdifferenzierte organische, sensorische, motorische, kognitive und soziale Entwicklung notwendig (Kannengieser, 2012). Eine physiologische organische Entwicklung, besonders vom Gehirn sowie dem Nervensystem, wird durch die Zusammensetzung der Muttermilch begünstigt (Diepeveen et al., 2017).

Nicht außer Acht zu lassen ist, dass jede Stillmahlzeit alle sensorischen Strukturen anregt und diese positiv beeinflusst. Beispielsweise wird das vestibuläre System durch die Lageveränderung (Wechsel der Brust) stimuliert. Das Gleichgewichtsorgan nimmt die Bewegungsrichtung und-geschwindigkeit des Kopfes wahr und kann somit die gesamtkörperliche Bewegung einordnen. Dies wirkt sich auf die gesamtkörperliche Muskelspannung aus. Dies ist als Basis für die ungestörte motorische Entwicklung zu sehen und der Wahrnehmung im Raum und der Verarbeitung von Reizen. (Schuster, 2006).

Taktilen Reiz erfährt das Kind mit den Händen direkt an der mütterlichen Haut oder auch der Kleidung, sowie intra- und extraoral beim Anlegen/Stillen. Diese Berührungspunkte sind besonders entscheidend bei der Entwicklung des taktilen Systems der Säuglinge. Der Mundinnere und die Handinnenflächen sind zu Beginn sehr sensibel für Empfindungen von Reizen. Die ungestörte taktile Wahrnehmung und Verarbeitung ist die Voraussetzung für ein altersentsprechendes Sprachverständnis. Der Mensch „begreift“ alles Neue. Man muss den Gegenstand anfassen und erkunden.

Dies unterstützt gezielt den Aufbau des passiven und später auch aktiven Wortschatzes und die Einordnung in Kategorien und Oberbegriffe.

Des Weiteren unterstützt die orale taktile Wahrnehmung wiederum die gezielte Beweglichkeit der oralen Strukturen, welches sich positiv auf die artikulatorische Entwicklung auswirkt. (Schuster, 2006) Eine korrekte Anlegesituation begünstigt die kinästhetische und propriozeptive Wahrnehmung des Babys, indem das Kind Begrenzung erfährt.

Die Tiefenwahrnehmung, wie beispielsweise die Stellung der Gelenke oder des Muskeltonus, werden in diesen Situationen trainiert und bilden die Basis für eine gute Bewegungsqualität.

Die propriozeptive Wahrnehmung ist die Voraussetzung, um vestibuläre und taktile Reize adäquat integrieren zu können.

Die automatisierten orofazialen Bewegungsmuster gewährleisten eine flüssige und ungestörte Artikulation.

Die Hirnreifung wird in ihrer Lateralitätsentwicklung positiv beeinflusst, da es zu einer „Spezialisierung der Hirnhälften“ (Schuster, S. 22, 2006) kommt, welches die „Voraussetzung für einen normalen Sprechrhythmus und Sprachfluss“ (Schuster, S.22, 2006) ist.

Die korrekte Einordnung von sich selber und Dingen im Raum ist die Voraussetzung für das Verständnis und die Umsetzung von grammatikalischen Strukturen, beispielsweise Präpositionen (Schuster, 2006).

Die ersten wichtigen visuellen Reize, sind die Gesichter der Bezugspersonen. Beim Stillen hat der Säugling den idealen Abstand, um visuell mit seiner Mutter in Kontakt zu treten.

Dies ist der erste Schritt in der Sprachentwicklung zum Aufbau von Kommunikation. Das ist essenziell für die Sprachentwicklung. Kinder treten über den Augenkontakt zunächst ohne Worte in Kommunikation und erlernen über den späteren Triangulären-Blick, Referenzen zwischen einem Gegenstand, einer anderen Person und sich selbst zu beziehen. (Zollinger, 2015). Zudem wird das Richtungshören und die Analyse des Gehörten in Bezug auf zum Beispiel Tonlage und Lautstärke positiv beeinflusst (Schuster, 2006).

Weiter kann die Mutter auditiv in diesen Momenten in Ruhe auf ihr Kind wirken und so die Basis der Kommunikation aufbauen. Dies trainiert das selektive Hören, da das Kind aus den Umgebungsgeräuschen gezielt die Stimme der Mutter herauszuhören lernt (Schuster, 2006).

Stillen hat einen positiven Einfluss auf die gesamte kindliche Entwicklung. Das Stillmanagement bei kranken Kindern und Frühgeborenen unterscheidet sich manchmal sehr deutlich vom Stillmanagement bei gesunden Kindern. Hinzu kommen die Besonderheiten der Stillberatung im Klinikbereich, speziell in der Kinderklinik.

Bedeutung des Stillens für kranke und frühgeborene Kinder                                                                         

Die Bedeutung des Stillens für Kinder, Mütter und auch die Gesellschaft ist hinlänglich bekannt. Deshalb soll an dieser Stelle speziell die Bedeutung von Stillen und Muttermilchernährung für kranke Kinder und Frühgeborene sowie für ihre Mütter deutlich gemacht werden. Die Kinder werden geschützt vor Infektionen, vor allem im Bereich der oberen Luftwege; Fette und Wachstumsfaktoren fördern Entwicklung und Reifung, was für unreife Kinder und Frühgeborene besonders wichtig ist. Muttermilch wird besser vertragen als künstliche Säuglingsnahrung, die Kinder haben beim Stillen einen stabileren 1Die Aspirationsgefahr beim Stillen ist geringer, Kinder verschlucken sich viel häufiger beim Trinken aus der Flasche.                                                                                                                                    Beim Stillen wird die Gesichtsmuskulatur des Kindes trainiert, wichtig für hypotone Kinder, behinderte Kinder und auch Frühgeborene.

Und ganz wichtig: Stillen ist Trost für das kranke Kind!