_Therapie_Konzept_LSVT® LOUD

Die Methode LSVT® (Lee Silverman Voice Treatment) wurde von den amerikanischen Sprachtherapeutinnen Dr. Lorraine Ramig und Carolyn Mead Bonitati im Jahre 1987 an der Universität Colorado in den USA entwickelt und nach der ersten damit behandelten Patientin (Lee Silverman) benannt, die ausschlaggebend für die Entwicklung dieses Konzeptes war.

LSVT® wurde von 1987–1996 in drei Phasen entwickelt, wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Schon in der ersten Entwicklungsphase zeigten sich bei 80 % der 150 behandelten Patienten starke Verbesserungen in Lautstärke, Stimmlippenschluss, Atmung und vor allem im alltäglichen Sprechen.

Es wurden zwei randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt, um die Effektivität zu überprüfen.

LSVT® LOUD unterscheidet sich wesentlich von anderen Ansätzen, indem eine Verbesserung der Verständlichkeit des Sprechens ausschließlich über das Erhöhen der Sprechlautstärke angestrebt wird. Nach dem Motto „All you need is loud“ werden in einem vierwöchigen Intensivprogramm regelmäßig Übungen zur Verbesserung der Stimmfunktion und Sprechlautstärke durchgeführt.
Es gibt Hinweise in verschiedenen Untersuchungen, dass der Stimme eine Schlüsselrolle im Sprechsystem zukommt. So hat sich gezeigt, dass intensives Stimmtraining häufig auch deutliche Verbesserungen anderer Funktionsbereiche des Sprechens wie der Atmung, der Aussprache und der Satzmelodie (sogenannte „Crossover“-Effekte) und des Schluckens bewirkt.
In Studien wurde nachgewiesen, dass LSVT®-Übungen mit hoher Intensität und Frequenz, Bedeutsamkeit für die Patient*innen, adäquater Komplexität und zum richtigen Zeitpunkt enorme positive Auswirkungen auf die neuronale Plastizität haben. Dies wiederum hat einen positiven Einfluss auf die Hirnfunktion und kann den Krankheitsverlauf verlangsamen (vgl. Kleim & Jones, 2008; Kleim et al., 2003; Zidmond et al., 2009). Die LSVT-Therapien stimmen mit Theorien zum motorischen Lernen, dem Erwerb von Fähigkeiten und den Prinzipien der neuronalen Plastizität überein (vgl. Verdolini, 1997; Schmidt & Lee, 1999; Kleim & Jones, 2008).
Therapieziel
Die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten ist das Hauptziel der LSVT® LOUD-Therapie im Bereich Morbus Parkinson.
Therapieergebnisse
Die intensive theoretische und klinische Forschung zur Methode LSVT® LOUD zeigte folgende Resultate:
• Die Lautstärke der Stimme nimmt zu
• Die Verständlichkeit verbessert sich
• Der Gesichtsausdruck wird lebendiger
• Die Schluckfunktionen verbessern sich
• Die Verbesserung der neurologischen Funktionen kann in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) sichtbar gemacht werden.

Das Programm LSVT® LOUD hilft dabei, die eigenen Stimmkräfte zu stärken, indem es die Kommunikationsfähigkeit fördert und somit zu einer höheren Lebensqualität beiträgt. Dies geschieht automatisch durch die Nutzung der lauten Stimme, die zuvor erarbeitet wurde.
Durch Übungen wird das peripher-motorische System trainiert, da eine permanente sensomotorische Stimulation erreicht wird. Das zentrale Nervensystem (d. h. der Cortex, die Basalganglien) wird durch das motorische Lernen aktiviert. Zudem wird die sensorische Propriozeption für den inneren Antrieb stimuliert. Das emotionale System wird durch das limbische System repräsentiert, das durch die stetige Motivation und Bestärkung für das Geleistete ebenfalls positive Anregungen erhält.
Therapieablauf
Die LSVT®LOUD-Therapie erfolgt im „Sprechzimmer“ nur durch erfahrene, staatlich anerkannte LSVT®LOUD-zertifizierte Logopäd*innen.
Um einen größtmöglichen Erfolg zu erzielen, welcher durch wissenschaftliche Studien belegt wurde, werden über einen Zeitraum von vier Wochen je viermal pro Woche, jeweils 60 Minuten, Einzeltherapien durchgeführt. Dazu kommen zwei Stunden für die Eingangsuntersuchung und eine Stunde Nachuntersuchung. Das ergibt insgesamt 19 Therapieeinheiten.
Eine maßgebliche Unterstützung ist das Training zu Hause. In diesen vier Wochen trainieren Betroffene einmal täglich an Tagen, an denen eine Therapie stattfindet und zweimal täglich an therapiefreien Tagen.
Durch die hohe Intensität des Übens wird eine große Anstrengung der Betroffenen erreicht, die durch häufiges Wiederholen, Kraftaufwand bzw. Widerstand während des Übens untermauert wird. Hinzu kommen eine Verbesserung der Genauigkeit und eine positive Ermüdung in den Muskelsynergien.
Abhängig vom Schweregrad der Erkrankung kann eine fünfte Therapiewoche erforderlich sein.
Nach je sechs Monaten erfolgt ein Kontrolltermin, um den Erfolg der Therapie, d. h. den Transfer des Gelernten in den Alltag zu überprüfen.
Eine Wiederholung des Therapieprogramms ist je nach Krankheitsverlauf indiziert, um so lange wie möglich eine verständliche, verbale Kommunikation aufrechterhalten zu können.
Derzeit ist eine Wirkung von zwei Jahren wissenschaftlich nachgewiesen.
Die Behandlung sollte im Verlauf der chronischen Erkrankung Morbus Parkinson so früh wie möglich durchgeführt werden.
Ein frühes Stimmtraining wirkt präventiv gegen die Entwicklung einer Dysarthrophonie.
Medikamente und Operationen können andere Symptome der Parkinsonerkrankung zum Teil stark verbessern, jedoch helfen sie bei Sprechstörungen nicht. Die einzige Möglichkeit, das Sprechen zu verbessern, ist die Sprechtherapie.
Zu Beginn der Intervention und auch kontinuierlich während der Übungsphasen werden alle Übungsdaten, d. h. Lautstärke, Tonhaltedauer sowie Tonhöhenumfang regelmäßig gemessen und protokolliert. So haben Übende und Anleitende immer die Möglichkeit, den momentanen Stand objektiv zu beurteilen.
Um den gesamten Therapieverlauf mit allen Höhen und Tiefen verfolgen zu können, werden alle Messergebnisse dokumentiert.
Verordnung der LSVT® LOUD-Therapie
Die logopädische Therapie ist auch bei Morbus Parkinson ein Heilmittel und muss ärztlich verordnet werden.
Die Kosten für die Behandlung werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Eine Verordnung der LSVT® LOUD-Therapie umfasst:
Diagnoseschlüssel: SP6
Diagnose: Störung der Sprechmotorik / Dysarthrophonie Leitsymptome: Störung der Stimme und der Artikulation
LSVT®LOUD-Einzeltherapie:
1 Erstverordnung (inkl. logopädischer Diagnostik): 10-mal 60 Minuten, 4-mal pro Woche
1 Folgeverordnung: 10-mal 60 Minuten, 4-mal pro Woche
LSVT®LOUD-Gruppentherapie:
6-mal (oder 10-mal) 90 Minuten, 1-mal pro Monat
LSVT® LOUD – Nachsorge-Gruppe:
In der Nachsorge-Gruppe wird einmal im Monat unter therapeutischer Leitung das LSVT® LOUD-Programm wiederholt und es werden Anregungen für das weitere häusliche Üben sowie für den wichtigen Transfer in den Alltag gegeben.
Ebenso soll anschließend ein Rahmen geschaffen werden, der zu einem Austausch zwischen den Betroffenen und/oder ihren Angehörigen anregt.
Eine Gruppensitzung dauert 90 Minuten und kann ärztlich verordnet werden.
Grundprinzipien der LSVT®LOUD-Therapie
Die LSVT®LOUD-Therapie basiert auf 5 Grundprinzipien:
1. Stimme:
Der Schwerpunkt der Behandlung liegt auf der Stimme, wobei Lautstärke, Modulation und Tonhaltedauer trainiert werden (Sprich laut! Loud is all you need!).
2. Kraft:
Die Patient*innen sollen die erforderliche Lautstärke über Kraftanstrengungen erreichen (Krafttraining).
3. Selbstkontrolle:
Die Patient*innen sollen lernen, die Lautstärke und die Tonhaltedauer selbst zu kontrollieren und zu initiieren.
4. Messung und 5. Dokumentation:
Alle Übungsdaten (Lautstärke, Tonhaltedauer, Tonhöhenumfang) werden regelmäßig gemessen und protokolliert, um den Erfolg zu objektivieren und zu dokumentieren.
In der Ergotherapie sowie der Physiotherapie wird das Konzept LSVT® BIG, welches sich auf die ganzkörperlichen Bewegungen bezieht, ebenfalls erfolgreich durchgeführt. Auch in diesem Bereich gibt es beweisende Studien, die für dessen Durchführung sprechen.
Das Vorhaben, die beiden Therapiekonzepte LSVT® LOUD und LSVT® BIG zu verknüpfen, steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Die momentan verfügbaren Studien sind vielversprechend. Dieser Ansatz heißt LSVT® HYBRID.
LSVT® LOUD hat viele Erfolge im Bereich der Stimmbehandlung bei neurologisch erkrankte Patient*innen gehabt. Studien haben belegt, dass die Therapien, die via Internet bzw. „Skype“ gehalten wurden, ähnliche Erfolge erreichen konnten.
Um ein optimales Therapieresultat zu erhalten, ist es erforderlich, dass LSVT® von Therapeuten durchgeführt wird, die für diese Methode ein Zertifikat erworben haben. Im „Sprechzimmer“ wurden bereits erfolgreich Intensivtherapien vorgenommen.