Die Neuromotorische Kontrolle (NMK) ist ein umfassendes, neurophysiologisch orientiertes Therapiekonzept für Kinder und Erwachsene mit sensomotorischen und orofazialen Störungen.
Dr. J. Brondo und Castillo Morales entwickelten ein Konzept mit zwei Behandlungsschwerpunkten. Der eine Schwerpunkt ist die Regulationstherapie des orofacialen Bereichs (ORT), der andere die neuromotorische Entwicklungstherapie (NET).
Behandlungskonzept.
Das orofaciale Behandlungskonzept basiert auf Castillo Morales und Dr. J. Brondos Erfahrungen in ihrer Arbeit mit Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Down-Syndrom und muskulären Hypotonien.
Ab einem gewissen Zeitpunkt trennten sich die therapeutischen Wege der Begründer des ORT-Konzeptes. Dr. Juan Brondo entwickelte das Konzept weiter und gab ihm einen neuen Namen. Daher spricht man heute von der Neuromotorischen Kontrolle (NMK) nach Dr. Juan J. Brondo.
Das Konzept beinhaltet die Cervico-Cranio-Orofaciale Regulationstherapie nach Dr. J. Brondo. Es ist ein aktuelles, holistisches und integrierendes Konzept und basiert auf der funktionellen biomechanischen sowie neurosensomotorischen Entwicklung und den aktuellen Erkenntnissen der Neurophysiologie. Es wird bei Kindern und Erwachsenen mit sensomotorischen Störungen im Bereich des Gesichts sowie des Mundes und Rachens und insbesondere bei der Behandlung von Saug-, Schluck -, Kau- und Sprechstörungen angewandt.
Die NMK nutzt unterschiedliche Techniken, die sich kohärent und dynamisch ergänzen. Dies erlaubt den Therapeuten eine strukturierte und methodologisch sequenzielle therapeutische Arbeit, mit der komplexe Bewegungsabläufe wie Saugen, Schlucken, Kauen, mimische Bewegungen angebahnt und verbessert werden.
Der Anwendungsbereich ist sehr breit gefächert und reicht von Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Morbus Down und anderen Pathologien mit mundmotorischen Störungen über Cerebralparesen, Hirntraumen, Fazialisparesen bis hin zu einfachen Artikulationsstörungen. Auch die Störungen bei der Nahrungsaufnahme bei Säuglingen oder Probleme von Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen, Haltungsschwäche und Speichelinkontinenz können mit der Therapie nach Dr. J. Brondo gemindert werden.
Für erwachsene Patient*innen eignet sich die Behandlung bei erworbener oder angeborener Fazialisparese, Dysphagie und Sprechstörungen nach Schlaganfall und anderen neurologischen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose u. a.
Die Behandlung zielt auf die Vorbereitung der Muskulatur für die Funktionen beim Essen, Trinken und Sprechen. Durch die Stimulation bestimmter Bereiche am orofazialen Komplex werden die sensomotorischen Bewegungsabläufe der mimischen Muskulatur sowie der Zungen-, Kau- und Schluckmuskulatur verbessert und die Atmung positiv beeinflusst. Zur Unterstützung der Therapie ist in einigen Fällen eine individuell von Kieferorthopäden angefertigte Gaumenplatte hilfreich, die die gleichen Ziele verfolgt wie die Übungsbehandlungen und die erwünschten Funktionen zusätzlich fördert und erhält.
Die Therapie setzt exaktes anatomisches Wissen über die muskulären Verläufe, ihre Innervierung, die verschiedenen Muskelfunktionen, die Entwicklung der physiologischen Funktionen des orofacialen und gesamtkörperlichen Komplexes und die Wechselwirkungen dieser Systeme sowie ihre Verarbeitung im Gehirn voraus.
Der Therapieansatz für Säuglinge und Kinder orientiert sich an der normalen sensomotorischen Entwicklung des Kindes. Die propriozeptiven und motorischen Erfahrungen werden durch manuelle Behandlungstechniken wie Dehnung, Zug, Druck und Vibration eingeleitet, mithilfe derer Muskeln und Muskelketten aktiviert werden.
Behandelt werden Frühchen, Säuglinge, Kinder und Erwachsene mit
• angeborener Gesichtsfehlbildung,
• Lippen-Kiefer-Gaumenspalte,
• Saug-, Trink- und Fütterstörungen,
• Pierre-Robin-Sequenz,
• Franceschetti-Syndrom,
• Cerebralparese,
• erhöhtem Speichelfluss,
• Muskelhypotonie, beispielsweise bei Down-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom,
• Moebius-Syndrom und anderen Syndromen,
• zentralmotorischen Störungen und Mehrfachbehinderungen, z. B. bei Cerebralparese,
• Folgen von Schädel-Hirn-Trauma,
• Folgen von Schlaganfall,
• peripheren Paresen, z.B. Plexusparesen oder Myelomeningozelen,
• neuromuskulären Erkrankungen,
• muskulären Kiefergelenkbeschwerden,
• Fazialisparese.
Ziele der Behandlung
Das Ziel ist eine verbesserte Wahrnehmungsentwicklung (Sehen, Spüren, Hören) und Koordination der sensomotorischen Entwicklung des Kindes sowie eine Verbesserung der aktiven Aufrichtung und Bewegung.
Im orofacialen Bereich findet eine Aktivierung und Regulierung der Funktionen wie Saugen, Schlucken, Speichelkontrolle durch die Verbesserung des Buccinatormechanismus, Kauens, der Mimik sowie allgemeinen Artikulation statt.
Dies wird durch direkte manuelle Einwirkung auf Haut-, Muskel, Sehnen- und Gelenkrezeptoren über Druck, Zug, Dehnung und Vibration erreicht. Eine indirekte Einflussnahme erfolgt durch das Setzen sensorischer Reize über verschiedene Sinneskanäle (visuell, auditiv, taktil und gustatorisch).
Für den Erfolg des Behandlungskonzeptes ist eine regelmäßige Behandlung nötig. Daher ist es wichtig, die Eltern zu unterstützen und sie in ihren elterlichen Kompetenzen zu bestärken, sodass sie nach intensiver Anleitung der Therapeut*innen selbstständig und regelmäßig Teilsequenzen zu Hause wiederholen können.
Ein anderes wichtiges Ziel ist die Vermeidung von pathologischen Kompensationsstrategien, die zu Folgekomplikationen führen können.
Des Weiteren sollen nonverbale und verbale Kommunikationsmöglichkeiten erweitert werden und eine Förderung der Selbstständigkeit bei der Kommunikation, des Essens und des Trinkens sowie der Fortbewegung erfolgen.
Indikationen für die Therapie nach Brondo
Die Behandlung ist indiziert bei Störungen, die von Dysfunktionen im orofacialen Bereich begleitet werden. Es wird Einfluss genommen auf
• Körper-, Kopf- und Kieferhaltung,
• Mimik,
• Zahnstellung,
• Wangen-, Lippen- und Zungenfunktion,
• Probleme beim Saugen, Schlucken, Kauen,
• Atmung,
• Kieferwachstum und Kieferstellung,
• Artikulation.
Bei Kindern
• Saug-, Trink-, Schluck und Fütterstörungen bei Früh- und Neugeborenen
• Fütterstörungen organischer Genese
• Cerebralparese
• Syndrome mit mundmotorischen Problemen (z. B. Down-Syndrom, Moebius-Syndrom, Pierre-Robin-Syndrom)
• Erhöhter Speichelfluss
Bei Kindern und Erwachsenen
• Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma
• Fazialisparese (Lähmung der mimischen Muskulatur)
• Dysphagie
• Dysarthrie
• Muskelhypotonie
• Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
• Neuromuskuläre Erkrankungen
• Periphere Paresen