Phonologische Bewusstheit
Unter phonologischer Bewusstheit versteht man die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf die formalen Eigenschaften der gesprochenen Sprache zu lenken. Das bedeutet beispielsweise auf den Klang der Wörter beim Reimen oder auf Wörter als einen Teil der Sätze.
Auch werden Silben als Teile von Wörtern und letztendlich vor allem auf die einzelnen Laute der gesprochenen Wörter zu diesem Bereich gezählt. Sie beschreibt eine bestimmte Form der Sprachbewusstheit und stellt einen wichtigen Teilbereich der sogenannten phonologischen Informationsverarbeitung dar.
Man unterscheidet zwischen phonologischer Bewusstheit im Weiteren und im engeren Sinne. Die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne bezieht sich auf die Fähigkeit, Wörter zu syllabieren, aber auch Silben in den konsonantischen Anfangsrand und den Reim zu gliedern.
Wie beispielsweise L aus oder M aus.
Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne bezieht sich auf die kognitiv sehr viel anspruchsvollere Aufgabe, Silben in ihre Laute zu zerlegen. Zum Beispiel: L-ö – w-e; H – a – u –
Was bedeutet die phonologische Bewusstheit?
Die phonologische Bewusstheit ist eine bestimmte Form der Sprachbewusstheit und stellt den wichtigsten Teilbereich der sogenannten “phonologischen Informationsverarbeitung” dar. Sie beschreibt die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit von der Bedeutung der Sprache auf die Struktur der Sprache zu lenken. Das Kind lernt Wörter in Silben und Laute zu unterteilen, häufig unbewusst. Ihm wird im späteren Verlauf bewusst, dass es kleinere Einheiten als Wörter gibt. Dies ist die Voraussetzung für den erfolgreichen Lese- und Schreiberwerb.
Das Kind kann z.B. die Frage welches Wort ist länger das Wort „riesig” oder das Wort „klein” erst korrekt beantworten, wenn es die Aufmerksamkeit auf die Wortstruktur lenkt und nicht nur auf die Bedeutung.
Warum ist diese phonologische Bewusstheit so wichtig?
Im ersten Schuljahr lernen die Kinder nach Gehör zu schreiben.
Dies ist aber nur möglich, wenn es Wörter systematisch durchgliedert und ihm bewusst ist, dass Wörter in Laute unterteilt werden müssen.
Es kann erst Buchstaben schreiben und lesen lernen, wenn es sich der gehörten Einzellaute bewusst ist. 9 % aller Kinder tragen das Risiko einer Lese-Rechtschreibstörung in sich. Defizite im Bereich der phonologischen Bewusstheit, der Sprachentwicklung, der Artikulation und der zentral-auditiven Verarbeitung können zu einer Lese-Rechtschreibstörung führen.
Wie entwickelt sich die phonologische Bewusstheit?
Das Kind lernt Sprache systematisch und immer kleinschrittiger zu strukturieren. Es lernt zunächst Sätze in Wörter zu unterteilen (Wortbewusstheit). Dann lernt es durch das Bilden von Reimen, dass es Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Wörtern gibt. Hierdurch wird ist es ihm möglich Wörter in Silben und Laute zu unterteilen.
Es hat Freude daran Wörter zu klatschen und in Silben zu unterteilen. Es lernt spielerisch Anfangslaute zu identifizieren, die Position von Lauten in Wörtern zu bestimmen und ähnliche Laute gezielt zu unterscheiden. Dies sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Lese- und Schreiberwerb.
Was kann die Förderung bewirken?
Es ist erwiesen, dass es eine Reihe von Sprech- und Sprachspielen gibt, die sich sehr positiv auf den Lese- und Schreiberwerb auswirken. Durch die Förderung der phonologischen Bewusstheit kann das Risiko einer Lese-Rechtschreibstörung deutlich reduziert werden und der Lese- und Schreiberwerb erheblich gefördert werden. Gerade durch die frühen Einschulungen und die hohen Anforderungen im ersten Schuljahr, kann den Kindern der Schuleinstieg durch die Förderung der Vorläuferfunktionen erheblich erleichtert werden.
Die Motivation spielerische Übungen hierzu im Kindergartenalter durchzuführen ist viel höher als später eine gesonderte und häufig langwierig Lese-Rechtschreibförderung durchzuführen. Eine erstmal entstandene Lese-Rechtschreibstörung ist schwierig und langwierig zu therapieren. Die Förderung der phonologischen Bewusstheit kann das Risiko einer Lese- Rechtschreibschwäche aber nur reduzieren und nicht aufheben.
Phonologische Informationsverarbeitung
Zum Begriff:
Hier werden drei Funktionen unterschieden, die gemeinsam oder auch unabhängig voneinander Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb erklären können.
Das phonologische Arbeitsgedächtnis hat die Aufgabe, sprachliche Informationen zu speichern und weiterzuverarbeiten.
Die phonologische Bewusstheit meint die bewusste Identifizierung, Analyse, Synthese und Manipulation der kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten der Sprache, der Phoneme.
Es handelt sich um die Fähigkeit, vom semantischen Gehalt der Sprache zu abstrahieren und die Aufmerksamkeit der Klanggestalt der Sprache zuzuwenden. (Metaebene)
Unter der Zugriffsgeschwindigkeit auf phonologische Informationen versteht man die Fähigkeit, phonologische Repräsentationen im mentalen Lexikon automatisiert aktivieren zu können.
Die Forschung zur phonologischen Bewusstheit hat eine Vielzahl von Resultaten hervorgebracht, die sie je nach Begriffsbestimmung entweder als Vorläuferfertigkeit und Voraussetzung des Schriftspracherwerbs, als Konsequenz der Auseinandersetzung mit der Schriftsprache oder als interaktive Komponente, also durch den Schriftspracherwerb in Gang gesetzt und diesen fördernd betrachten (vgl. Marx, 1997). Diese Unstimmigkeiten lassen sich durch die Unterscheidung der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne von der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne (Skowronek & Marx, 1989) weitgehend auflösen.
Die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne im engeren Sinne bezieht sich auf den bewussten Umgang mit den kleinsten Einheiten der gesprochenen Sprache, den Phonemen (Lauten). Sie entwickelt sich üblicherweise erst im Zusammenhang mit dem Schriftspracherwerb. Aufgaben für diesen Bereich wären z.B. Aufgaben zum Zusammenschleifen (“Um welches Wort handelt es sich hier? H-AU-S”), die Analyse des anlautenden Phonems (“Nenne mir den Anfangslaut des abgebildeten Wortes”) und der Phonemsegmentierung (“Nenne mir den zweiten Laut in Sonne!”).
Unter der phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne versteht man die Wahrnehmung der gröberen sprachlichen Einheiten wie Wörter im Satz und Silben in Wörtern. Den Klang der Wörter beim Reimen usw.
Sie entwickelt sich in der Regel spontan, d.h. ohne äußere Anleitung schon im Vorschulalter. Aufgaben beziehen sich auf Wörter und Silben, also größere linguistische Einheiten; z.B. Reimaufgaben (“Reimen sich die beiden Wörter Haus und Maus?”) oder Silbenzählen (“Wieviel Silben hörst du in dem Wort Blume?”).
Unter dem Begriff der phonologischen Informationsverarbeitung sind Fertigkeiten zusammengefasst, die für Vorhersage des späteren Erfolgs beim Schriftspracherwerb von besonderer Bedeutung.
Die damit gemeinte Nutzung von Informationen über die Lautstruktur der gesprochenen und geschriebenen Sprache umfasst:
• Die Übertragung vorgegebener schriftlicher Symbole wie Wörter oder Bilder in die entsprechende lautliche Struktur, um dann aus dem Langzeitgedächtnis ihre Bedeutung abrufen zu können. Das phonologische Rekodieren beim Zugriff auf das semantische Lexikon
• Die für Leseanfänger besonders wichtige Repräsentation schriftlicher Symbole im Kurzzeitgedächtnis, dem phonetisches Rekodieren im Arbeitsgedächtnis
• Das Erkennen der Lautstruktur der Sprache, die phonologische Bewusstheit. Die phonologische Bewusstheit ist die für den Erfolg beim Lesen- und Schreibenlernen bedeutsamste Fertigkeit.
Ihr Einfluss konnte in einer Reihe empirischer Studien in verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Sprachen nachgewiesen werden (vergleiche Küspert 1998).
Scheerer-Neumann (2015) weist darauf hin, dass der Schweregrad der einzelnen Aufgaben zur phonologischen Bewusstheit unterschiedlich ist.
So sind die Aufgaben zur Anlautanalyse und des Heraushörens von vorgegebenen Lauten im Vergleich zu Aufgaben, bei denen Laute manipuliert werden müssen (“Ersetze den ersten Vokal durch ein u”), deutlich leichter.
Amerikanische Forscher im Bereich der Schrifterwerbsforschung, haben bereits vor über 40 Jahren experimentell nachgewiesen, dass die Silbe als rhythmische Einheit für Kinder bereits vor dem Schrifterwerb intuitiv wahrnehmbar ist – im Gegensatz zum Laut.
Diese Erkenntnis hat sich international durchgesetzt. Sie wird aktuell im Rahmen der sprachlichen Frühförderung genutzt. Kinder werden in diesem Rahmen mit Reimen und Versen spielerisch konfrontiert und damit lernen sie spielerisch mit den sprachlichen Strukturen, um zu gehen lernen.